Kolumne von Ma Hongman 马红漫 für das Wochenmagazin Xinmin Zhoukan, Nr.15, April 2012, S.86.
Übersetzung (gekürzt):
Der Fall der 70 Millionen RMB-Hochzeit der Tochter des Kohlebarons Xing Libin 邢利斌 hat in der Öffentlichkeit heftige Diskussionen ausgelöst. Für das geliebte Töchterchen eine kostspielige Hochzeit auszurichten ist eigentlich eine private Angelegenheit. Doch dass dies nun zur Zielscheibe öffentlicher Kritik geworden ist und von Regierungsstellen als abträglich für das lokale Image gebranntmarkt wird, wirft ein Licht auf den heute in der Gesellschaft oft erkennbaren Grundverdacht gegenüber den Reichen. Wenn wir nach den Ursachen dafür suchen, dann ergibt sich, dass es nur unter den Rahmenbedingungen einer Wohlstandsbildung auf der Grundlage einer rationalen Ressourcenverteilung und eines fairen Wettbewerbs möglich ist, die Psychologie des Reichenhasses durch eine positive Einstellung zur Schaffung von Wohlstand durch Fleiß zu ersetzen. Erst dann werden die Reichen zum Synonym für soziale Elite.
Unsere Landsleute legen seit alters her großen Wert auf wichtige Familienereignisse, wenn eine Hochzeit mit sechs Ferraris, der Anwesenheit von Stars aus der CCTV-Neujahrs-Show und der Ausgabe einer zweistelligen Millionensumme verbunden ist, dann zieht das Lager der Superreichen trotzdem den Blick der Massen auf sich. Noch entscheidender ist, dass es sich beim Veranstalter um einen “Kohlebaron” handelte. In den Augen vieler ist der Grund für den Reichtum der Kohlebarone eng mit den enormen Profiten aus der Erschließung der von ihnen beherrschten Kohleminen verknüpft, wobei aber nach der Theorie diese natürlichen Ressourcen dem ganzen Volk gehören sollten. Nach dieser Logik steht der verschwenderische Konsum der Kohlebarone, angefangen von Hochzeitskarossen der Marke Hummer, über das fieberhafte Kaufen von Immobilien allerorten, bis zu den heutigen kostspieligen Verheiratungen der Töchter, im starken Verdacht, einen Übergriff auf öffentliche Interessen zu bilden. Das heisst, nachdem die Kohlebarone einen enormen Reichtum an sich gebracht haben, ist die “Erbsünde des Reich-Geworden-Seins” zu sühnen, was mit der Formulierung “sie sollen mit ganzem Herzen der Gesellschaft etwas zurückgeben” in dem offiziellen Dokument der Stadt Lüliang gemeint ist.
Im Zuge der Verarbeitung des Falls dieser Millionen-Hochzeit wurde auch die Geschichte des Reichwerdens des Kohlebarons Xing Libin in Umrissen deutlich. In den 90er Jahren stiegen im Zuge des rapiden Wirtschaftswachstums die Stahlpreise, was dem ursprünglich im Stahlgeschäft tätigen Xing Libin zu seinem Anfangskapital verhalf. Später kam Xing Libin aus geschäftlichen Gründen mit der Koks-Industrie in Berührung, und es wird kolportiert, dass er für den Schnäppchenpreis von 80 Millionen RMB die Liulin Xingwu-Kohlemine aufgekauft hat. Und von da an ging es mit den kontinuierlich steigenden Kohlepreisen geradewegs in Richtung Reichtum. Natürlich waren diese beiden das Schicksal des Kohlebarons entscheidenden Investitionen kein hundertprozentiger Garant dafür, dass er Geld verdienen würde. Xing Libin selbst äußerte dagegen: “Was wäre gewesen, wenn (nach dem Kauf der Xingwu-Kohlemine) der Kohlepreis gefallen wäre? Wäre dann mein Stammkapital nicht unwiederbringlich verloren gewesen?” In der Tat ist es bei der Reform von Chinas Wirtschaftssystem angesichts des rasanten Wachstums unvermeidbar, dass Schlupflöcher im System nicht rechtzeitig gestopft werden. Das verschafft einigen waghalsigen Hasardeuren noch mehr Möglichkeiten, Reichtümer anzuhäufen. Ihre Zauberwaffe zur Schaffung von Reichtum besteht jedoch nicht in übermenschlicher Klugheit oder übermenschlichem Fleiß, sondern in der privaten Bereicherung an Gütern der Allgemeinheit durch die Ausnutzung politischer Versäumnisse. Hier liegt der tiefere Grund für die Tendenz zum low-key-Verhalten der Reichen. Und es ist auch ein wichtiger Grund, warum in der Bevölkerung die Diskrepanz zwischen Arm und Reich häufig gegeißelt wird.
In Wirklichkeit kann sich in jedem Land das Problem der Kluft zwischen Arm und Reich stellen. (…) Die Amerikaner jedoch sind weitaus weniger auf Konfrontationskurs gegenüber den Reichen, einige Reiche sind sogar zu Idolen der Nation geworden. (…) Man kann sagen, dass der drastische Anstieg des Marktwertes von Apple viel mit Cooks Fähigkeiten und seiner Klugheit zu tun hat, er hat die nötige Qualifikation für ein entsprechend hohes Gehalt. (…)
Die Effizienz der wirtschaftlichen Entwicklung im heutigen China kann sich bereits sehen lassen, und nun sollte eine faire Ressourcenverteilung mehr Beachtung finden. Während die Regierungsstellen die Kohlebarone dazu drängen, ihren Teil an die Gesellschaft zurückzugeben, sollte man auch durch einen Aufbau entsprechender Strukturen Versäumnisse und Defizite ausgleichen, so dass noch mehr Menschen auf fairere Weise in den Genuss kommen, aufzusteigen und Wohlstand zu erlangen.