Von Xu Zhifeng 许志峰 und Huang Qicui 黄奇萃. Originalartikel: Renmin Ribao (People’s Daily) vom 16.12.2011.
Übersetzung:
Während sich Chinas BIP in 10 Jahren mehr als verdoppelt hat, ist der Aktienindex unverändert geblieben
Die China Securities Regulatory Commission kündigt eine tatkräftige Förderung einer gesunden und stabilen Entwicklung des Kapitalmarktes an
Nach einer mehrtägigen Talfahrt der Aktienmärkte Shanghai und Shenzhen brachte der 15.12. aufs Neue einen schwarzen Tag. Nachdem beide Börsen tief begonnen hatten, brachten die Haussisten nicht mehr die Kraft zu einem Gegenschlag auf. Der Sturz des Shanghai Composite Index durchbrach ohne großes Zögern die 2200er Marke. Obwohl er danach wieder etwas anzog, kam es bei weiterhin mangelnder Zuversicht in den Markt zu einem erneuten Absacken und einem neuen Dreijahrestief bei 2180.90 Punkten.
In der letzten Zeit hat die Börse eine beschleunigte Baisse durchgemacht
Gegen Jahresende sieht sich der Aktienmarkt plötzlich in einer beschleunigten Baisse, was für die Anleger etwas unerwartet kommt. Blickt man auf das Gesamtjahr 2011 zurück, befand sich der Markt für A-Aktien im Wesentlichen in einer mehrfachen Anpassung; obwohl er zwischendurch wieder ein wenig angestiegen, erreichte er jedesmal ein neues Rekordtief. Bis zum 15.12. hat der Shanghai Composite Index aufs Jahr bezogen 22% eingebüßt, der Compositional Index des Shenzhen Stock Market brach um fast 29% ein. 2011 war für die Aktionäre zweifellos ein ziemlich hartes Jahr.
Vor 10 Jahren, im Jahr 2001, hat der Shanghai Composite Index einen Höchststand von 2245 Punkten erreicht. Nach seinem Tiefststand in dieser Woche beklagen viele, dass Chinas Börse wieder auf das Niveau von vor 10 Jahren zurückgekehrt ist. Die Aktionärin Zhang Guiying aus Harbin hat vor vielen Jahren als Einsteigerin 1500 Yuan angelegt, zusammen mit ihren späteren Engagements hat sie insgesamt 80.000 Yuan investiert. Nach dem letzte Kurssturz hat sie nur noch ein Portfolio von gut 80.000 Yuan, „verglichen mit 10 Jahren zuvor ist es gleichgeblieben, berechnet man Zinsen und die Inflation mit ein, dann ist es sicherlich ein Verlust“, sagt Zhang Guiying. In den letzten Jahren hat sie mit keiner ihrer Aktien einen Gewinn eingefahren, nur mit ihren neuen Aktien hat sie ein wenig verdient.
Nach Dong Dengxin jedoch, dem Chef des Instituts für Finanzwesen und Aktien an der Wuhan University of Science and Technology, war vor dem Hintergrund der weltweiten Entwicklung der Aktienmärkte in den letzten Jahren die Performance der A-Aktien nicht so schlecht. Von 2000 bis 2001 hat überall in der Welt die Hausse ihren Höhepunkt erreicht. Verglichen mit dem aktuellen Stand und dem Höchststand, haben die Aktienindizes weltweit um bis zu 60% eingebüßt. Die A-Aktien sind im Wesentlichen auf dem Niveau von vor 10 Jahren geblieben. Doch im Vergleich mit dem BIP, das sich in den 10 Jahren mehr als verdoppelt hat, gibt die Performance des Aktienmarkts Rätsel auf.
Warum der Aktienmarkt von den Basisdaten der Makroökonomie abweicht
Obwohl das Abrutschen der Märkte sich in letzter Zeit beschleunigt hat, ist Teng Yin, Investmentberater und Vorsitzender von Everbright Securities Co, Ltd. der Ansicht, die derzeitige Talfahrt sei noch ein Ausläufer der großen Korrektur, es gebe bei den internen und externen die Korrektur auslösenden Schlüsselfaktoren keine substanziellen Veränderungen.
Von den externen Faktoren her haben die Ausbreitung der europäischen Schuldenkrise und zunehmende Unwägbarkeiten beim globalen Wirtschaftswachstum direkte Auswirkungen auf unsere exportorientierte Wirtschaft. Auf der anderen Seite fährt jedes Land zur Stimulierung der Wirtschaft eine lockere Geldpolitik. Das Umfeld weltweiter geldpolitischer Lockerung führt zu Unsicherheiten bei den Rohstoffpreisen (bestes Beispiel: der Ölpreis), wodurch der importierte Inflationsdruck nicht grundlegend beseitigt wurde.
Betrachtet man die internen Faktoren, so wird der Inflationsdruck künftig weiter bestehen, trotz des phasenweisen Wendepunkts beim Anstieg der Güterpreise werden diese weiterhin hoch bleiben. Es bestehen Zweifel, ob der Markt die Inflation grundlegend eindämmen kann. Das nachlassende Wirtschaftswachstum lässt die Gewinnerwartungen der börsennotierten Unternehmen sinken, die Immobilienmarktsteuerung besteht weiter, da aber die Gewichtung der Immobilien- und Banken- Aktienanteile im Shanghai Composite Index ca. 50% beträgt, wird die Instabilität der Schwerpunkt-Werte zu einer Abwärtsbewegung des Markt-Gesamtschwerpunkts führen.
Außerdem besteht laut Teng Yin eine deutliche strukturelle Überbewertung des Marktes, das hohe Preisniveau vieler Aktien der KMUs und Wachstumsfirmen entspricht nicht dem Wachstum ihres Geschäftserfolgs, ein Wertrückgang ist hier unterwegs.
Manche sehen in einer übereilten Expansion von Chinas Aktienmarkt den Grund für seine dermaßen schwache Entwicklung. Diese Schlußfolgerung entspricht Dong Dengxin zufolge nicht der Realität. Denn nur wenn der Markt dahindümpelt, stößt eine Ausweitung um neue Aktien auf Hindernisse; doch diese Kausalität lässt sich nicht umkehren. Eine gute oder schlechte Tendenz der Börsen wird letztlich durch die makroökonomischen Basisdaten entschieden. Es gibt aber auch Analysten, die der Ansicht sind, die Performance unseres Aktienmarktes stünde in diametralem Gegensatz zu den positiven ökonomischen Basisdaten.
Teng Yin meint, dass Gerüchte um die Einführung einer internationalen Börse mit dazu geführt haben, dass der Markt seit Jahresbeginn mehrmals abgerutscht ist. Obwohl es für die Einführung einer internationalen Börse noch keinen Zeitplan gibt, ist die Tendenz zur Internationaliserung von Chinas Aktienmarkt bereits eine feste Größe, und der Markt spiegelt schon im voraus diese Erwartungen wieder. Die Internationalisierung des chinesischen Aktienmarkts wird dem Bewertungssystem des derzeitigen abgeschotteten Marktumfelds einen Schock versetzen und es beeinflussen, die zahlreichen Sturzflüge des Aktienmarkts reflektieren in Wirklichkeit schon im voraus den Ansturm, den die Einführung der internationalen Börse auslösen wird, und diese Einflüsse werden möglicherweise weiter anhalten.
Man soll sich nicht von einer pessimistischen Stimmung leiten lassen, es lohnt ein Blick auf die positiven Marktfaktoren
Die anhaltende Talfahrt hat zu einer verbreiteten Panik an den Märkten geführt, das Vertrauen der Anleger ist weithin angeschlagen. Hierzu meint Teng Yin, die Anleger sollten trotz der derzeit noch andauernden Anpassungsphase zuversichtlich in die Zukunft sehen. Nachdem Chinas Aktienmarkt viermal (nach 325, 512, 998 und 1664 Punkten) aus großen Tiefs herausgekommen ist und auf diese Weise den Anlegern enormen Reichtum gebracht hat, steht jetzt mit Sicherheit eine fünfte historische Talsohle ins Haus. Zwar sei die derzeitige Korrektur bitter, doch würden sich alle Dinge nach dem Erreichen des Extrems ins Gegenteil wenden, und der Markt würde aus der pessimistischen Stimmung heraus wieder zum Leben erwachen.
Guo Shuqing, Vorsitzender der China Securities Regulatory Commission, sagte am 14.12., die Überwachungsorgane für Wertpapiere und Futures würden stetig ihre Philosophie von Reform, Entwicklung, Überwachung und Service erneuern, man würde die historische Chance für die Reform des Kapitalmarktes beim Schopf packen, nach Kräften die ungünstigen Auswirkungen der internen und externen Faktoren überwinden und mit aller Energie die Entwicklung eines gesunden und stabilen Kapitalmarkts fördern. Man müsse Überlegungen dazu anstellen, wie man mithilfe von Politikmaßnahmen zum Aktienmarkt noch stärkere Anreize für verschiedene Formen langfristiger Investitionen schaffen könne und die koordinierte Entwicklung der Rolle von institutionellen Anlegern wie Aktienfonds, Rentenfonds, Sozialversicherungsfonds und Versicherungen unterstützen, sowie aktiv einen standardisierten und in eine offizielle Form überführten Betrieb von Venture-Capital-Fonds und Private-Equity-Fonds auf den Weg bringen.
Nach der Analyse von Marktbeobachtern werden positive Faktoren in einem pessimistischen Umfeld gerne übersehen. Das Einbringen von langfristigen Geldern würde eine positive, stabilisierende Wirkung auf den Aktienmarkt haben. Außerdem hat die Securities Regulatory Commission in letzter Zeit eine Reihe von Reformmaßnahmen aufgelegt, so z.B. den schrittweisen Aufbau eines Systems der Koppelung von Finanzierung und Gewinnausschüttung, die Perfektionierung des Systems für Marktaustritte von Wachstumsunternehmen, die harte Bekämpfung von Insidergeschäften und die Förderung von Vertrauensbildung. All diese Maßnahmen zielen auf tiefreichende Probleme am Aktienmarkt. Eine schrittweise Verbesserung des marktökologischen Umfelds wird das Vertrauen des Kapitals in langfristige Bindungen an den Aktienmarkt stärken.
Außerdem halten im Zuge des Kursverfalls das Industriekapital und das obere Management allmählich vermehrt Aktien. So erhöhte vom 13.12. bis 14.12. die Huali Holdings Group, Holding von Beijing Lüyou (000802, Beijing Jingxi Tourism Development Co.,Ltd.), ihren Anteil um 978.400 Aktien. Und am 14.12. hat die China Aerospace Times Electronics, Großaktionärin von Hangtian Dianzi (600879) ihren Anteil auf 1.600.000 Aktien aufgestockt. Das zeigt, dass die derzeitigen Aktien-Schätzwerte für Großaktionäre und das obere Management bereits attraktiv werden.