Von Qiu Lin 邱林. Originalartikel: Zhongguo Jingji Wang vom 9.11.2011.
Übersetzung (gekürzt):
Die Verwendung des Wahlspruchs “藏汇于民 cáng huì yú mín” (etwa: “Die Devisen sollten beim Volk sein”, in Analogie zu dem Ausdruck “藏富于民 cáng fù yú mín”, “Der Reichtum sollte beim Volk sein (und nicht bei der Regierung)” durch Zhou Xiaochuan am 24. Oktober hat zu Reaktionen in der chinesischen Presse geführt.
Qiu Lin: Das Konzept „Verwahrung der Devisen beim Volk” darf kein ungedeckter Scheck bleiben
Kürzlich äußerte Zentralbankchef Zhou Xiaochuan auf dem “Golden Kirin Forum” von sina.com, dass in Zukunft die [finanziellen] Ressourcen noch mehr an die Bürger verteilt werden sollten. Mit dem Konzept „Devisen beim Volk” ist durchaus nicht gemeint, dass jedem Bürger Devisen in die Hand gedrückt werden, sondern es sollen Möglichkeiten für ihn geschaffen werden, eigenständig über die Verwendung und Investition von Devisen zu entscheiden.
Das Konzept „Devisen beim Volk” gibt es schon seit 2006. Es wurde von der damaligen Vizegouverneurin der Zentralbank, Wu Xiaoling, eingeführt; konkret wurde vorgeschlagen, die großen und nicht optimal strukturierten staatlich kontrollierten Devisenbestände aufzulösen. Der Vorschlag wurde jedoch nie umgesetzt.
Die Gegenstimmen kommen überwiegend aus der staatlichen Devisenverwaltung. Die Gegner des Konzepts argumentieren, dass die Regierung ohne Devisen nicht in der Lage wäre, Finanzkraft zu bündeln, um Großvorhaben zu bewerkstelligen; sie könnte ohne Devisen keine Ressourcen und Technologie einführen, was Chinas wirtschaftliche Sicherheit gefährden würde. Außerdem repräsentierten die Devisen zwar den Wohlstand des Volkes, seien aber streng genommen das Geld der Zentralbank.
Noch entschiedenere Stimmen verweisen darauf, dass beim Devisenverkauf der jeweilige RMB-Wert ausbezahlt worden sei, und die Bürger nach der RMB-Aufwertung sogar Gewinne bei Investitionen erzielt hätten und billiger in den Genuß von Importprodukten gekommen seien. Sie hätten ihr „Fleisch schon durchgekocht“, d.h. ihr Schäfchen schon ins Trockene gebracht.
Ob das „Fleisch der Devisenreserven“ hingegen „schon durchgekocht“ wurde, und wie die Devisenreserven für die Bürger zur Verfügung gestellt wurden – das bleibt unklar. Die Regierung schaut nur darauf, dass “die durchgekochte Ente nicht davonfliegt”, dass also „ihre“ mühsam erworbenen Devisenreserven keinen Wertverlust erleiden.
Theoretisch sind die Devisenreserven aber das Geld der Bürger, sie sollten also auch ein Recht über dessen Verwendung haben. Wenn die in Staatskontrolle befindlichen Devisenschätze unbegrenzt ansteigen, bleibt China nichts anderes übrig, als Dollar-, Euro– oder Yen-Produkte zu kaufen, was, wenn es so weiter geht, sehr wahrscheinlich einmal dazu führen wird, dass China finanziell den Kürzeren zieht.
Chinas sich stets vergrößernde Dollarbestände verstärken nur die Abhängigkeit von den USA und machen das Land zu einem Opfer der amerikanischen Wechselkurspolitik.
Das ist durchaus kein bloßes Schreckensszenario. China ist zwar der weltgrößte Gläubiger, doch es kann nur mit ansehen, wie das größte Schuldnerland (die USA) in noch höhere Bereiche hinaufsteigt. Mit genau diesem Phänomen, das dem normalen Wirtschaftsverständnis diametral entgegengesetzt ist, besiegen die USA China auf dem Schlachtfeld der Finanzwirtschaft. Chinas übergroße Dollar-Forderungen bewirken, dass die USA mit einfachen Währungsmanipulationen ihre Schuldenlast verringern und Chinas Potenzial drosseln können. Dies könnte China sehr leicht in eine Zwangslage bringen.
In Japan und Deutschland besitzt der Staat nur einen Teil der Devisenreserven, die Gefahr eines ernsten Wertverlusts ist relativ gering. Japan hat ein Klima geschaffen, in dem die Bevölkerung gerne über Devisen verfügt, es erlaubt Einzelpersonen, Firmen und Banken nach den eigenen Bedürfnissen über das Halten, die Verrechnung und den Verkauf von Devisen zu bestimmen. Das revidierte Devisen-Gesetz Japans von 1980 liberalisierte Devisenguthaben und Devisenkredite und erlaubt einen freien Devisenhandel.
Doch in China wird schon mehr als zehn Jahre über die Frage der Devisenbestände diskutiert. Es gibt einige örtlich begrenzte Versuche, wie z.B. den zu Jahresbeginn erstmals von Wenzhou veröffentlichten Gesetzesentwurf, der es seinen Bürgern erlaubt, im Ausland Direktinvestitionen zu tätigen. Auch Shanghai hat eine entsprechende Politikmaßnahme erlassen, doch aus verschiedenen Gründen ist es noch in keiner der beiden Städte zu einer konkreten Umsetzung gekommen.
Zusammenfassend: Selbst wenn Chinas 1,3 Milliarden Bürger nicht direkt über Devisen verfügen können, so sollte man doch den Devisenzugang für die Unternehmen liberalisieren. Sie sollen für ihre Investitionen die Verantwortung übernehmen, ohne dass ihnen Regierungsstellen dabei ins Handwerk pfuschen. Nur wenn der Staat flexiblere und wirksamere Marktmechanismen aufbaut und auf Devisen lautende Finanzprodukte einführt, kann die Strategie „Devisen beim Volk“ wirklich umgesetzt werden.