Von Liu Shengjun 刘胜军. Originalartikel: Fenghuang Wang/Di Yi Caijing vom 15.09.2009.
Übersetzung:
Die „Drei Nicht“, die für die Innovationsfähigkeit chinesischer Unternehmen überwunden werden müssen
Bis heute haftet “Made in China” international das Etikett an, billig, nachgemacht und von minderer Qualität zu sein. Warum sich die Chinesen heute, da Eigenständigkeit und Innovation ganz oben auf der Tagesordnung stehen, mit der Innovation schwer tun, ist zu einem wichtigen Thema geworden. Sieht man sich einmal um, dann gibt es nur eine Handvoll chinesischer Marken mit globalem Bekanntheitsgrad. Da China für Marken wie Apple nur Auftragsproduktion erledigt, hat es bei immensem Ressourcenverbrauch nur geringfügigen Gewinn innerhalb der Wertschöpfungskette. Auf der Automobilmesse in Shanghai im April dieses Jahres hat der spektakuläre Auftritt des „Rolls Royce“ von Geely bei den Landsleuten gemischte Gefühle hervorgerufen.
Sollten chinesische Unternehmen tatsächlich nicht innovativ sein? Der Autor ist der Auffassung, dass es bei der mangelhaften Innovationsfähigkeit zwar das Problem gibt, dass wir uns hier nicht leicht tun, dass das Nicht-innovativ-sein-Wollen und das Nicht-innovativ-sein-Dürfen aber eine noch wichtigere Rolle spielen.
Das Sich-nicht-Leichttun in Hinblick auf Innovationen spiegelt ein Problem von Gewohnheiten und Fähigkeiten wieder, das auf einen komplexen historischen und kulturellen Hintergrund zurückzuführen ist. Im Konfuzianismus werden die Worte der Altvorderen und der Heilig-Weisen aufs höchste geschätzt, der Spruch „die Verfahrensweisen der Vorfahren dürfen nicht geändert werden“ ist tief im Bewußtsein der Menschen verankert, was ihre Neugier und ihre Fähigkeit für innovatives Denken erstickt hat. Mit neuen Problemen konfrontiert, waren es die Chinesen gewohnt, durch Neuinterpretation der Klassiker nach Lösungen zu suchen. Die Rückständigkeit der Chinesen in Bezug auf Innovation hat auch mit ihrer Ablehnung der Wissenschaften zu tun. Die Tendenz zu „chabuduo“ („passt schon irgendwie“) in der chinesischen Kultur läuft dem auf Präzision Wert legenden wissenschaftlichen Geist zuwider.
Das Bildungssystem ist ein weiteres Problem. Seit langem überwiegen im chinesischen Bildungssystem Gedächtnis-basierte mechanische Prüfungen, Kreativität und Ausdrucksfähigkeit der Schüler werden vernachlässigt, und die Didaktik verläßt sich auf den „Nürnberger Trichter“. Das schnürt die Fähigkeit der Schüler ein, frei zu denken.
Die Unwilligkeit, innovativ zu sein hat jedoch noch mehr mit durch die Rahmenbedingungen bewirkten negativen Anreizen zu tun. In einer Marktwirtschaft ist das Streben rationaler Wirtschaftssubjekte von der Profitmaximierung geleitet. Es ist leicht nachzuvollziehen, dass Unternehmer die Methode wählen, mit der am einfachsten Geld zu verdienen ist. So haben zum Beispiel viele chinesische Unternehmer eine Vorliebe für Immobilien, weil „an Boden zu kommen“ ein entscheidendes Kettenglied im Immobilienmarkt ist. Sobald man über Beziehungen an Boden kommt, ist das Geldverdienen ein Leichtes. In der jetzigen Phase verfügen die Lokalregierungen noch über beträchtliche Ressourcen und Machtbefugnisse. Ihre Pfründen verhelfen ihnen zu hohen Gewinnen. Es liegt auf der Hand, dass diese so leichter zu erzielen sind als durch hitzige Marktgefechte.
Deshalb sehen wir einen Beamten nach dem anderen auf Posten mit großen Machtbefugnissen straucheln, wie in den Bereichen Boden, Autobahn, Städtebau, Bankkredite und Börsengängen. Doch hinter jedem von ihnen stehen Unternehmer, die auf illegale Weise reich geworden sind. Das Umfeld eines Systems mit ungezählten ungeschriebenen Regeln motiviert die Unternehmen ganz offensichtlich nicht zur Innovation.
Der mangelnde Schutz geistiger Eigentumsrechte ist von den Rahmenbedingungen her ein weiteres Hindernis für Innovationen. Traditionell erkennen Chinesen nur sichtbare Werte an, die Akzeptanz geistiger Eigentumsrechte fehlt. Chinesische Firmen sollten von der Imitation zur Innovation übergehen. Der schwache Schutz geistigen Eigentums ist bereits zu einem Graben geworden, der der Innovation von Unternehmen in unserem Land den Weg abschneidet und mehr Nachteile als Vorteile bringt.
„Nicht-innovativ sein-Dürfen“ mag merkwürdig klingen, ist aber eine Realität. Innovation ist vom Wesen her ein Risiko, und wenn der Erfinder nicht in den Genuß der Erträge des Risikos kommt, dann ist seine Motivation dahin. Im Fall von Staatsunternehmen kann ein Einzelner im Falle einer mißglückten Innovation an den Pranger gestellt werden und großem Druck ausgesetzt sein, im Erfolgsfall wiederum sind die Vorteile für den Einzelnen sehr begrenzt. Diese Asymmetrie zwischen Innovations-Risiko und -Gewinn bei den Staatsunternehmen läuft objektiv auf ein „Nicht-innovativ-sein-Dürfen“ hinaus. Auf makroökonomischerer Ebene sind die Monopole von Großunternehmen in den Bereichen Telekommunikation, Petrochemie, Finanzen und Elektrizität bereits zum Feind Nummer Eins für Innovation geworden.
Auf der einen Seite können sie aufgrund ihrer Monopolstellung in Ruhe enorme Gewinne einstreichen – wo soll da der Anreiz für Innovationen herkommen? Auf der anderen Seite bedeutet die Vormachtstellung des Monopols einen unfairen Wettbewerbsvorteil. Administrative Eintrittsbarrieren eliminieren den Lebensraum für innovationsfreudige kleinere Firmen.
Auf der Liste der Fortune 500 aus dem Jahr 2009 werden 43 chinesische Firmen geführt, darunter befindet sich mit Shagang nur ein einziges Privatunternehmen vom Festland. Keinem hellsichtigen Menschen kann eine derartige Situation Freude bereiten.
Daraus lässt sich erkennen, wie lang und beschwerlich der Weg für eigenständige Innovationen noch ist. Wir hoffen auf ein wenig mehr Würde bei chinesischen Unternehmern und etwas weniger Ausrufezeichen nach der Art von Geely-„Rolls Royce“. Doch während wir Unternehmen wegen ihres fehlenden Ehrgeizes und ihrer Glücklosigkeit schelten, sollten wir gleichzeitig noch mehr darüber nachdenken, wie wir das Systemumfeld für Innovationen verbessern. Über Regierungsreformen sollten die Pfründen von Unternehmen immer mehr beschnitten werden, die Gesetze zum Schutz geistiger Eigentumsrechte sollten streng umgesetzt werden, die Monopole in einzelnen Branchen müssen abgeschafft und der freie Wettbewerb gefördert werden; all das sind Systemhürden, die überwunden werden müssen, wenn man die Innovationsfähigkeit voranbringen will.
Autor ist Stv. Direktor des Lujiazui International Finance Research Center der CEIBS.