Beitrag von Gao Xing 高兴 für das Wochenmagazin Xinmin Zhoukan Nr.7, Februar 2012, S.88.
Übersetzung:
Die Rentenfonds dürfen nicht als Kanonenfutter für den Aktienmarkt herhalten
Als vor nicht allzu langer Zeit Chinas Aktienmarktindex rasant einbrach, der Markt sich verdüsterte, das Kurs-Gewinn-Verhältnis und die Wertpapiersteuer gleichermaßen sanken, schlugen vor diesem Hintergrund schwerer Verluste der Anleger beteiligte Kreise erneut vor, die Rentenfonds am Kapitalmarkt investieren zu lassen, da dies “für alle Bürger von großem Vorteil” sei.
Obwohl der Verfasser selbst als Aktionär in der Klemme sitzt, hält er diesen Vorschlag in Hinblick auf die derzeitige Lage des Aktienmarkts und der Sozialversicherungsfonds für keine gute Idee.
Das Problem liegt nicht bei den Rentenfonds, sondern bei Chinas Aktienmarkt. Die chinesischen Börsen waren nun mehrere Jahre in Folge der weltweit größte Bärenmarkt, die Aktienkurse fielen unaufhörlich. Allein im Jahr 2011 schrumpfte der Marktwert der handelbaren A-Aktien um 5 Billionen RMB, von zehn Aktionären machten acht bis neun Verluste. Der chinesische Anleger verlor im Schnitt 47.000 RMB.
Der Kapitalmarkt ist nicht ausgereift, die Aufsicht ist mangelhaft, der Aktienmarkt nicht reguliert, Marktskandale wie Insiderhandel und “rat trading” sind an der Tagesordnung. Das Börsen-Volumen wächst übermäßig schnell, Marktkapital ist knapp.
2010 und 2011 kamen die Börsen Shanghai und Shenzhen zusammen auf eine Marktkapitalisierung von 1,7 Billionen RMB, zwei Jahre in Folge war die Marktkapitalisierung der Börsen-Newcomer weltweit die höchste. Obwohl die Kurse der A-Aktien im letzten Jahr enorm absackten, blieb die Marktkapitalisierung nach wie vor die weltweit zweithöchste hinter den USA. Zahlen der World Federation of Exchanges zufolge übertraf sie bei den A-Aktien reife Märkte wie Japan und England und lag weit über der von Schwellenländern wie Indien, Brasilien und Südkorea.
Die Sozialversicherungsfonds wiederum stehen vor dem Problem unzureichender Geldquellen und eines übermäßig großen Defizits. Ein Spezialbericht des Finanz- und Wirtschaftsausschusses des Nationalen Volkskongresses deckt auf, dass das Defizit der Sozialversicherungsfonds bei über 10 Billionen RMB liegt. Mit dem bald erreichten Scheitelpunkt der Alterung der Bevölkerung wird sich das Defizit der Sozialversicherungsfonds weiter vergrößern, und eine stabilisierende Funktion des Rentenfonds für Chinas Gesellschaft, die alt wird bevor sie reich wird, ist enorm wichtig. Die Bedeutung seiner Werterhaltung und -steigerung erscheint damit umso vordringlicher.
Die Anlagepraxis ausländischer Rentenfonds zeigt, dass während der Finanzkrise die Verluste der Rentenfonds in denjenigen Ländern am schwersten waren, in denen ihr Börsen-Engagement besonders hoch war. Im Zuge der internationalen Finanzkrise von 2008 schrumpfte das globale Volumen der Rentenfonds von 31,4 Billionen US-Dollar auf 25 Billionen US-Dollar. Dabei erlitten die Länder umso größere Verluste, je höher der Aktien-Anteil war. So lag der durchschnittliche Anteil des Börsen-Engagements in Irland bei 66% und der Verlust bei etwa 30%. In Ländern wie Kanada und Norwegen, mit Anlagen in Aktien von an die 60%, waren die Verluste ebenfalls entsprechend gravierend.
Investments der Rentenfonds in großem Stil an der Börse beeinträchtigen nicht nur die Sicherheit und Stabilität der Rentenfonds, sondern auch die Nachhaltigkeit und Effizienz des Systems der Alterssicherung, ja sogar die Stabilität der gesamten Gesellschaft.
Wenn die Rentenfonds unbedingt am Aktienmarkt investieren, dann müssen an die Moral, Professionalität und Integrität der Fondsverwalter sehr hohe Maßstäbe angelegt werden. In den letzten Jahren sah man häufig, dass in der chinesischen Wertpapierbranche mit der Aureole höchster Gehälter gezierte Listing-Sponsoren und Fondsmanager aus allen möglichen Gründen den Arbeitsplatz wechselten, und an solchen, die ins Ausland gehen, nachdem sie hier genug verdient haben, ist ebenfalls kein Mangel. Derzeit gibt es in der inländischen Wertpapierbranche nur sehr wenige Fondsmanager mit langer Arbeitserfahrung. Nach Statistiken beträgt die durchschnittliche Beschäftigungsdauer von Managern der zehn schwächsten Aktienfonds 1,99 Jahre. Die Manager der zehn stärksten Aktienfonds weisen dagegen im Schnitt eine Beschäftigungsdauer von 4,92 Jahren auf. Man erkennt hier eine direkte Verbindung zwischen der Performance der Fonds und dem Dienstalter ihrer Manager. Insgesamt beträgt die durchschnittliche Arbeitserfahrung in dieser Funktion bei den insgesamt gut 500 Fondsmanagern nur 2,58 Jahre, und bei 44 Managern erreicht sie nicht einmal ein Jahr. Würde ihnen der Mann auf der Straße leichten Herzens seine Rente anvertrauen?
Legt man das eigene Geld an der Börse an, dann trägt man selbst das Risiko – macht man Verluste, dann war es eben Pech. Doch bei den Rentenfonds, die mit der Altersversorgung der Menschen und der gesellschaftlichen Stabilität zu tun haben – wer wagt hier zu garantieren, dass das Börseninvestment nur Gewinne einfährt und keine Verluste macht? Könnte man dies garantieren, dann hieße das, dass Chinas Aktienmarkt ein manipulierbarer Insidermarkt ist. Wenn man es aber nicht garantieren kann, dann kommen im Falle von Verlusten die jetzt schon mit Schwierigkeiten kämpfenden Sozialversicherungsfonds vom Regen in die Traufe. Wer kann dafür die Verantwortung auf sich nehmen?
Wie ein soziales Sicherungssystem mit chinesischen Charakteristika zügig aufzubauen ist, um die Altersversorgung der breiten Masse, die soziale Stabilität und Harmonie sowie Frieden und Ordnung im Staat zu sichern, das ist eine gewaltige Aufgabe, über die sich die besten Köpfe Gedanken machen sollten.
Meine bescheidene Meinung ist: Das Defizit der Rentenversicherungsfonds nicht aus den billionenschweren Gewinnen der Staatsunternehmen auszugleichen, nicht aus den billionenschweren Erlösen aus den staatlichen Landverkäufen und auch nicht aus den billionenschweren „Drei Arten des Konsums der Öffentlichen Hand“, sondern zur Werterhaltung und -steigerung ausgerechnet an Chinas hochriskante Börsen zu gehen – das hätte, fürchte ich, nicht die Altersversorgung im Sinne, sondern die Rettung des Aktienmarkts. Und die Frage ist, ob es mit dem Aktienmarkt weitergehen kann, ob sein Leben dann immer noch zu retten ist, wenn es erst einmal Probleme bei der Altersvorsorge gibt. In Anbetracht dessen hält der Verfasser die Investition der Rentenversicherungsfonds an der Börse für extrem riskant. Die Rentenversicherungsfonds dürfen nicht zum Kanonenfutter für einen nicht ausreichend liquiden Kapitalmarkt werden. Die Renten der Menschen, ihr Geld zum Überleben, dürfen nicht in großem Stil an einem noch nicht regulierten, extrem unausgereiften Aktienmarkt angelegt werden.